Die Melodie
Die Uhr hält niemals an
und doch: er bleibt ihr Mann,
auch wenn er vor ihr aus dem Leben ging.
Sie kennt sein Lächeln noch
und auch sein 'aber doch'
und seinen Mund, an dem sie immer hing.
Doch wenn die Katze schreit
und ihre Einsamkeit
der einzige Gast ist, den sie nicht mehr braucht,
holt sie sein Passbild raus
und stellt die Uhr auf 'Aus'
macht das Kästchen mit dem Klingklang auf.
Die Melodie
vergisst sie nie,
er ist ihr nah,
so greifbar nah,
die Melodie
verwandelt sie,
sie kann ihn sehen,
die Zeit bleibt stehn.
Und sie erinnert sich
an dieses Kindgesicht,
an jene Nacht,
die so entscheidend war,
als die Gestapo kam
und ihren Mann mitnahm,
weil er als Kommunist gefährlich war,
Und jener Leutnant stand
dort an der rechten Wand
und las die Namen mit den Kreuzchen vor,
und sie sah sein Gesicht,
und das vergisst sie nicht,
denn seine Stimme hängt ihr noch im Ohr.
Die Melodie ...
Die Uhr hält niemals an
und manchmal denkt sie dran,
dass ihre Zeit längst abgelaufen ist.
Sie lebte nur für ihn,
sie gab ihm alles hin
und fragt sich heute,
was sie jetzt noch nützt,
Doch wenn sie stundenlang
mit Blumen in der Hand
an seinem Grab hockt, lebt er noch für sie,
doch wenn sie müde wird
und sie ihr Rheuma spürt,
bleibt sie allein mit ihrer Melodie.
Die Melodie ...