Vom Frieren

Konstantin Wecker

Bis zum Hals mit diesem weichen Leben,
Alkohol und Liebe vollgepfropft,
schließ ich eine Nacht ab, die sich eben
noch die Dämpfe aus den Ärmeln klopft.

Diese Wärme: Jetzt nur nichts verlieren,
denn der neue Tag ist zu versiert.
Schon sehr bald, da wird man wieder frieren,
und man ist so hilflos, wenn man friert.

Plötzlich fängt der Himmel Feuer,
und die Schuhverkäuferinnen wachen auf.
Dieser Tag wird sicher auch nicht neuer,
und man nimmt das Leben wieder mal in Kauf.

Die Friseure werden bald frisieren,
und man spürt, daß wieder nichts passiert.
Nur: Sehr bald wird wieder jemand frieren,
und es ist nicht richtig, daß man friert.

Auf den Straßen nur noch Lebenssurrogate,
Liebesschwüre schwanken müde heim.
Wieder nichts geschafft als Plagiate,
und es wäre doch so schön, ein Held zu sein.

Noch ein letztes Bad in abgestandnen Bieren,
schnell, bevor die Nacht krepiert.
Irgendwer wird morgen furchtbar frieren,
und es kann nicht gut sein, wenn man friert.

Vorsicht, nur das Atmen nicht verlernen.
Suffverdrängte Ängste lachen los.
Würde gern verschwinden mit den Sternen,
denn die Erde ist mir plötzlich viel zu groß.

Doch man kann den Tag nicht boykottieren.
man geht unter, oder man pariert.
Nur ich weiß: Ich werde furchtbar frieren.
Und man ist so einsam, wenn man friert.

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