Letzte Szene Bonn HBF
Endstation, Endstation! Alle aussteigen!
Der Zug endet hier! Das Buch endet hier!
Die Vernunft endet hier!
Bonner Hauptbahnhof, Vorplatz
Der Sinn endet hier! Bitte steigen Sie aus!
Es hat keinen Sinn, sitzen zu bleiben! Raus!
Mein Plan steht fest
Eigentlich kann gar nix mehr schiefgeh'n
Das Publikum, das mich ignorierte
Muss einfach hinseh'n, wenn ich als
Alkoholikеr kaputt in der Rinne liegе und
Mit einer Schrammelgitarre
Lagerfeuerlieder singe
Manager, schäm' dich, du hast
Meine Talente verschwendet, du Penner!
Ich war jung und dynamisch und
Hungrig auf alles, wartete Stunden und Tage
Wartete und wartete
Und er war nicht da, als ich erwartete
Dass er mich bezahlt
Guck, wie ich aussehe: Schminke
Bröckelt von meiner Haut
Die Kleidung zerlumpte Lumpen und ich
Lunger' nur rum, verwundeter Junge
Wirf mir einen Euro vor die Füße
Geld liegt auf der Straße
Jemand von meiner Intelligenz würde
Dort nicht liegen
Wenn er sich danach bücken würde
Wichtig ist nicht, warum
Sondern dass man jemanden
Keines Blickes würdigt
Guck, wie wenig ich wiege
Ich bin kurz vor'm Erfrieren
Aber ich singe viel zu schlechte Lieder
Um mich komplett zu ignorieren
Der Gedanke, du hättest aus
Mir Geld machen können
Macht dich wahnsinnig und ich wette
Du hättest deinen Teil meiner
Seele sehr gut angelegt
Ich hätte meinen verpulvert
Die Villa wär' schon längst verpfändet
Ich hätte Schwachsinn gekauft
Aber nicht einen Cent gespendet
Hast du eigentlich mal einen
Cent übrig für mich?
Wirf ihn an den Straßenrand
Der hatte einen weiten Weg
Und ist dort angelangt
Endlich! Ein original-echter Penner!
Alles perfekt, ihm
Fehlt nur noch ein abgetragenes
Altes Baumwoll-Jackett
Und eine halbvolle Weinflasche als Dekoration
Die perfekte
Penner-sitzt-im-Hauseingang-Bildkomposition
Mit krummem Rücken und
Dummen Krücken und
Der Wind weht eine scheppernde Dose
Gegen die Plastiktüten und eine
Angewiderte Dame mit einem
Dinkelcrossaint wirft einen Euro in den
Hut und kommt sich deswegen
Nicht so sinnlos vor
Im Grunde ein gutes Geschäft für sie
Normalerweise muss sie für
Dieses Gefühl achtzehn
Jahre lang ein Kind großzieh'n
Ein Sozialhilfeempfänger gibt mir zehn Cent
Und er fühlt sich deswegen
Einem Menschen überlegen
Eine Krankenschwester gibt mir zwanzig Cent
Und muss als Gegenleistung
Nicht darüber nachdenken
Wie viel gibst du mir? Zehn Cent?
Zwanzig Cent? Dreißig Cent?
Oder ein Euro? Yeah! Ein Euro!