Rasierklingenliebe

Er spielt mit der Klinge
Er poliert diese Klinge
Keiner wird ihn je verstehn'
Doch er liebt diese Klinge
Die Menschen draußen sehen nichts
Nur ein Spiel mit der Klinge
Er sieht in ihr ein Spiegel
Sieht sie die Dinge ihm bringen

Es ist 1990 er ist elf Jahre
Deutschland wird Weltmeister
In genau elf Tagen
Seine Freunde aus der heilen Welt
Sehen mit ihren Vätern
Gerade das Viertelfinale kamerun
Während er im Flur steht und mit ansehen muss
Wie Stiefvaters Gürtel knallt
Er sieht Mamas Blut er will aufwachen
Mama heulend, sie ruft
Sie fleht, über ihr Stiefvater
Schäumend vor Wut
Kindheit vorbei, Albträume genug
Heulen genug
Kleiner Junge zu schwach, Stiefvater stark
Gibt Beulen genug, häufig Entzug
Schreit teuflische Brut
Kleine Schwester öffnet jetzt Zimmertür
Am Ende des Flurs teddy fest in der Hand
Fragende Prinzessinenaugen
Tränen laufen so bereit nur
Ans Beste zu glauben
Seine Ohrfeige schlägt ihren Kopf
An die Heizung
Teddy fliegt aus der kleinen Hand stop!
Sechs Jahre Zeit'sprung
Stiefvater immer noch da
Noch immer am Schlagen mama trinkt sich weg
Kleine Schwester wimmert ins Laken
Das Arschloch sitzt auf der Couch
Stinkt nach Bier und Kippen
Mamas kleine bescheidene Träume
- Niedergerissen!
Ihre Hand an den geschwollenen lilanen Lippen
Blick starr, watteweiche Wuselwelt
Hoffnung auf Glück nicht da
Er ist zu schwach
Doch seines Messers Klinge so scharf
Die wispernde, flüsternde Stimme sagt
Sie bringe den Tag den Tag dieser Tat
Tag des befreienden Schlags
Der erste Stich trifft nicht richtig
Geht rein in den Arm
Doch der zweite trifft die Brust
Der dritte den Bauch
Die hundert folgenden auch
Doch auch die stillen ihn kaum: den Hunger
Stich! - Vater -
Stich! - unter sich in dieses Dumme -
Stich! - brutale -
Stich! - verdammte Gesicht - Stich!
Und er liegt in der Lache von Blut
Lacht wie von Sinnen so frei
Polizei stürmt die Wohnung
Ihn niederzuringen handschellen klicken
Stimmen die irgendwas sagen
Adrenalin weicht
Langsam beruhigt sich sein Atem
So viele Menschen in der kleinen
Wohnung bahnen sich Platz
Kleine Schwester wirft ihm ein Lächeln zu
Sie haben's geschafft

Sie sperren ihn weg knast und Medikamente
Doch er lächelt, Schwester sicher
Und blickt auf die Hände
Er vermisst diese Klinge
An seinen Unterarmen Narben
Hier, hier und hier hat er
Sich geritzt mit der Klinge
Er vermisst diese Klinge
Und sitzt nachts in der Zelle
Und er wünscht sich die Klinge
Wünscht sich frei sein zu fliegen
Und in sie zu springen
Er wünscht sich die Klinge
Er wünscht sich Lieder zu singen
Von der Liebe zu Klingen

Er liebt diese Klinge
Ja, er liebt diese Klinge
Er schwört sollte sie ihm helfen
Alle niederzuringen dann nimmt er die Klinge
Ihre Spitze an sein' Hals
Seine Hände wie beim Beten
Und er flieht in die Klinge

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